Interpretation von „San Salvador“ (Peter Bichsel) –geschrieben von Teresa Busch (10e) – zweistündige Arbeit am 21. Februar 2006

 

Die Kurzgeschichte „San Salvador“ von Peter Bichsel thematisiert den Versuch, durch Träumerei einem sich ständig wiederholenden Alltag zu entfliehen und zeigt gleichzeitig, dass dies nur Hirngespinste und eine Folge von jahrelanger Ordnung und Langweile sind. Leser sollen angeregt werden, über ihren eigenen Alltag, ihr eigenes Leben nachzudenken.

Dies wird verdeutlicht am Beispiel eines Mannes, welcher aus purer Langeweile davon träumt, in ein anderes Land, Südamerika, zu ziehen, um Neues zu erleben, sich letztenendes aber doch zu sehr von seinem Alltag in Besitz genommen fühlt, sodass er seinen Traum nicht verwirklichen kann.

Ich verstehe diese Geschichte als eine Art Beispiel dafür, wie sehr ein monotoner und unlebendiger Alltag einen Menschen prägen kann und Träume ihn dazu verleiten, das Leben zu ändern. Den Schwerpunkt meiner Interpretation lege ich auf die sprachlichen Besonderheiten dieser Geschichte. Meine Interpretationshypothese, ausdrücklich die andauernde Langeweile und Ordnung, lässt sich in der Folge an einigen Beispielen belegen. So fällt Lesern gleich auf, dass der Autor die einfachsten Verben benutzt hat, um die Situation des Mannes, Paul, zu charakterisieren. Erwähnenswert sind hier die Worte „zeichnen“, „falten“, „schreiben“, „betrachten“, „lesen“, „drehen“ etc., die den ganzen Text beherrschen. Leser verbinden solche Verben sofort mit Langeweile, Ordnung und Unspektakulärem. Die Wirkung diesbezüglich habe ich somit indirekt erwähnt, nämlich dass sich Leser besser mit der Situation identifizieren können und sich zudem ein genaueres Bild davon machen können. Auch die Syntax führt zu der eben genannten Wirkung. So bekommt man durch die fast durchgängigen Aufzählungen, die die Handlungen des Mannes beschreiben (Bsp. Vgl. Z. 5 [..] „dann hielt er inne, schraubte die Kappe auf die Feder, betrachtete den Bogen und sah, [..]“) ein Gefühl von Langeweile. Dies ist keineswegs spannend, aber effektiv, was die Intention anbelangt.

Auch das Setting, ein ganz normaler Tag am Tisch in einem Wohnhaus, wurde von dem Autor geschickt und überlegt ausgewählt. Zum einen fühlen sich Leser nahe am Geschehen und zum anderen verdeutlicht es wieder den schon genannten monotonen Alltag. Durch den Erzähler in der Er-Form, der mitten im Geschehen steht und teilweise personales bzw. neutrales Erzählverhalten bevorzugt, wird wieder diese Unlebendigkeit zum Ausdruck gebracht. Meinen bisher genannten Argumenten folgen nun weitere auffällige Mittel des Autors, die meine Hypothese belegen.

So auch die Figurenkonstellation. Wie man beim Lesen bemerkt, scheint die Beziehung des Paares längst eingeschlafen zu sein. Vermutlich leben beide Partner aneinander vorbei und auch die Intimität lässt Fragen offen. Diese Faktoren lassen den Mann wiederum gelangweilt werden. So ist es klar, dass er versucht, aus dieser Welt zu flüchten und Neues zu erleben. Dies tut er durch einen Traum, Südamerika zu bereisen. In Zeile 13 wird zum ersten Mal deutlich, dass Paul seine Frau Hildegard schon in- und auswendig kennt („[…] um halb zehn würde Hildegard zurückkommen“). Dies bestätigt sich am Schluss. (Z.31: „[…] um halb zehn kam Hildegard.“). Auch seine Aussage aus Zeile 24, dass sie sich die Haare aus dem Gesicht streichen würde, findet sich im allerletzten Satz wieder.

Zu Anfang der Geschichte wird erwähnt, dass es Paul scheinbar an seinem Wohnort zu kalt ist (Z.4). Dies nutzt er als Begründung dafür, dass er nach Südamerika auswandern will. Ich denke, er kann sich selber nicht eingestehen, dass er keine Lust mehr auf seine Vergangenheit hat (-> verdeutlicht durch das Tempus: Präteritum) hat. Auf diesen Satz aus Zeile 4 („Mir ist es hier zu kalt“) muss ich noch kurz näher eingehen. Dies ist nämlich zweideutig zu verstehen. Einmal kann man das Wort „kalt“ auf das Wetter beziehen, dass es wirklich nicht gerade warm an seinem Wohnort ist, und zum anderen kann es auch durch die Atmosphäre erklärt werden. Diese ist nämlich keineswegs angenehm warm, sondern zutreffend kalt. Dies begründe ich damit, dass in dem Text fast keine Adjektive auftauchen, nur allein stehende Nomen.

Die Überschrift ist meines Erachtens auch sehr treffend und wichtig, da sie meine Interpretationshypothese im Bezug darauf, dass er (Paul) Fantasien benutzt um seinem gewohnten Alltag, der ihn deprimiert, den Rücken zuzuwenden. „San Salvador“ bezeichnet die Stadt in Mittelamerika, die er anstrebt, und zusätzlich bedeutet sie übersetzt: Heiliger Erlöser. Das ist so zu erklären, dass er Südamerika als Erlöser seiner momentanen Lebenssituation ansieht. Auffällig weiterhin ist noch, dass zumeist äußere Handlung vorherrscht, es dem Leser jedoch ermöglicht wird, die Gedanken von Paul mitzuerleben. Die innere Handlung ist somit auf den ersten Blick kaum erkennbar und muss durch Leser aufgrund der äußeren Handlung erschlossen werden.

Ich denke, dass Paul letztendlich seine Träume doch nicht verwirklicht, nach Südamerika zu gehen, da er seinen Alltag nicht verlassen kann. Es hält ihn zusehr zu Hause.

Meiner Meinung nach konnte ich meine Interpretationshypothese ausreichend belegen, jedoch bleibt für mich offen, wieso er nach Südamerika auswandern will, obwohl die Überschrift „San Salvador“ eine Stadt in Mittelamerika beschreibt. Dies ist auf den ersten Blick unlogisch und kann ich in meiner Interpretation nicht klären.